Bonjour Tristesse

Montag, Juli 17, 2006

Die Leiden des jungen Steinfeld

Das jetzt-Magazin, Begleiterscheinung der SZ für junge Menschen, hat einen recht blöden Artikel von einem Herrn Steinfeld zu den Studi-Protesten gebracht. So ist das, wenn man seine journalistischen Hausaufgaben nicht gemacht hat: sachlich falsch, dafür um so polemischer und herzerfrischend entlarvend. Das eigentlich Interessante ist die ziemlich ausufernde Diskussion, die der Text ausgelöst hat. Wer Zeit (und Lust) hat, sich da durchzuwühlen, bekommt einen guten Überblick über die Positionen zu den Protesten, von mega-blöd über blöd bis richtig treffend ist alles dabei.
Sicherlich rührt die Polemik gegen das komische Gemisch von "Bildung ist keine Ware", dann aber doch eine standortsichernde Ressource und überhaupt das Kapital von morgen, an einen wunden Punkt. Doch verfehlt es den Punkt, dass vielleicht wie bei keinen vergangenen Protesten, ein - wenn auch nur rudimentär vorhandenes - Bewußtsein dafür vorhanden ist, dass viel mehr im Argen liegt, als nur Studiengebühren. Der Hinweis auf Sozialabbau und kontinuierliche gewerkschaftliche Beteiligung an den Protesten zeugen von anderem als elitärer Pfründesicherung. Das Hauptproblem, was sicherlich viele Teilnehmer beschäftigt, ist der absolute Mangel an theoretischem und begrifflichem Vokabular, um die gegenwärtige Situation beschreiben zu können. Um es kurz zu sagen, es fehlt ein Marcuse (ja ich weiß) oder Adorno oder so, mit dem man die simple Verbindung zwischen Individuum und Gesellschaft thematisieren und kritisieren kann (danke an den anderen Christian für den Tip).
Stattdessen wird halt die bürgerliche Gesellschaft an ihr Versprechen (danke Volker) erinnert mit Begrifflichkeiten, die ihrer eigenen Ideologie entnommen sind. Für Herrn Steinfeld ist das dann eine Mischung aus "Staatsidealismus", "Nationalismus" und "Ranküne". Es ist klar, dass dabei die Logik ein wenig auf der Strecke bleibt, aber das ist der Widersprüchlichkeit ebendieser Ideologie geschuldet. Nicht mal die SPD macht sich heute noch die Mühe, Klassenunterschiede wegzukaschieren (worüber sie auch immer sehr traurig ist. Siehe Müntis Trauerfalten.). Die CDU ist mit ihrer Schicksalsgemeinschaft hingegen wieder auf dem besten Weg.
Ich bin mir nicht sicher, dass die Schicksalsgemeinschaft wirklich kompatibel ist mit dem lauen Studi-Leben, wo man zwischen Job, Uni, manchmal Kind und feiern auch ganz gerne mal in Hegel, Marx, Adorno, Bordieu, Gramsci oder meinetwegen auch Schollenpapst Heidegger und Carl "der Führer, ja der Führer, der hat immer Recht" Schmitt schmökert.
Wie auch immer. Der Artikel erweckt jedenfalls den Anschein, dass Herr Steinfeld sehr aufgeregt war. Vermutlich wäre er selbst gerne selbstbewusster Bourgeois (hmm der Duden meint, das wär veraltet) und stolzer Patriot und ist einfach nur gekränkt darüber, dass ihm ein paar Lodder-Studierende die Widersprüche unter die Nase gerieben haben.
Andererseits hat er natürlich recht, dass man die Proteste schwerlich allein aus oller (?) bürgerlicher Demokratietheorie und schon gar nicht nationalistisch legitimieren kann. Aber das lässt darauf hoffen, dass mehr junge Menschen mal zu dem einen oder anderen schlauen Büchlein greifen.